Die Weine von qualitätsorientierten Winzern spiegeln (unter anderem) besonders die Eigenheiten des Jahrgangs wider. Dabei arbeiten gerade diese Winzer mit einer jahrgangsabgestimmten Laubarbeit darauf hin, die Wetterextreme jedes Jahres zu mildern und damit die Unterschiede (im Interesse der Qualität) zu verringern.
Neben der Bodenbearbeitung, die den Wasserhaushalt der Rebe beeinflußt, bieten die Laubarbeiten nämlich die beste Möglichkeit der Witterung manchmal ein kleines Schnippchen zu schlagen. Die Erfolgsquote dabei ist, wie auch die Wettervorhersage, mal besser und mal schlechter.
Die Ausgangssituation
Nach dem milden Winter, dem warmen und trockenen April, dem nicht besonders kühlen Mai und dem hochsommerlichen Juni ist die Entwicklung der Reben deutlich weiter fortgeschritten als normal. Je nach Vergleichsdaten (Blütetermin, Traubenwickler–Flug,…) liegen wir mit dem bisherigen „Spitzenreiter“ 2003 gleichauf oder sind sogar noch etwas früher dran.
Auch wenn es noch keine Trockenschäden gibt und bei uns in Mörbisch zwei Gewitterausläufer in den letzten Tagen etwas Linderung gebracht haben, dürften die Wasserreserven im Boden doch weitgehend aufgezehrt sein.
Die Prognose
Angesichts dieser Verhältnisse und den typischen heißen, trockenen Sommern des pannonischen Klimas ist mit einer sehr frühen Ernte zu rechnen. Es könnte gut sein, daß die Weinlese um den 25. August (oder im Extremfall sogar noch früher) beginnt. Die Traubenreife wird heuer also aller Wahrscheinlichkeit nach unter warmen bis heißen und möglicherweise eher (zu) trockenen Bedingungen stattfinden.
Mögliche Auswirkungen…
Ein früher Reifebeginn bedeutet normalerweise, daß es keine großen Probleme mit nicht genug ausgereiften Trauben gibt. Wenn Fäulnis, Hagel oder Trockenschäden nicht zu vorzeitiger Lese zwingen, kann – anders als bei einer ohnehin schon späten Ernte – die Reife bei relativ warmen und stabilen Bedingungen abgewartet werden.
Trockenheit und Hitze führen fast immer zu geringen Säuregehalten in den Trauben, die beim Rotwein wenig Probleme darstellen, beim Weißwein aber zu einem Mangel an Frische und Ausdruckskraft führen können. Eine hohe Sonneneinstrahlung bei der Reife begünstigt die Entwicklung der Farbstoffe der Rotweinsorten und führt zu einer dickeren Schale mit höherem Tanningehalt.
Während diese Tannine bei den Rotweinen eher positiv beurteilt werden, können sie (vor allem in Verbindung mit wenig Säure und relativ hohem Alkohol) zu unharmonischen Weißweinen führen. Dafür sind solche Trauben deutlich weniger anfällig für Fäulnis.
Trauben die unter heißen Bedingungen reifen, lagern weniger Aromastoffe ein und neigen eher zu eindimensionalen, überreif-marmeladigen Fruchtnoten, denen es an Finesse fehlt. Und hohe Traubentemperaturen bei der Ernte erhöhen nicht nur den Kühlungsaufwand bei der Verarbeitung, sondern auch das Risiko für mikrobiologische Fehlentwicklungen bei nicht perfekter Kellerhygiene.
…und wie man mit der Laubarbeit gegensteuern könnte
Eine mögliche Strategie, um die Nachteile zu mildern könnte eine jahrgangsspezifisch verringerte Blattfläche sein. Weniger Blätter bedeuten zwar weniger Photosynthese und eine verzögerte Reife (was heuer ja durchaus akzeptabel erscheint), dafür aber auch einen niedrigeren Wasserverbrauch (was vielleicht etwas weniger Trockenstreß bedeutet).
In der Praxis sind die Auswirkungen vermutlich eher bescheiden und da die Blattfläche oft durch das Erziehungssystem und die Mechanisierung vorgegeben ist, erscheint eine Verringerung der Blattfläche wenig praktikabel.
Schattentrauben reifen langsamer und unter kühleren Bedingungen, was Auswirkungen auf ihren Säuregehalt und das Aroma hat. In Jahren mit zu viel Sonne können diese Auswirkungen durchaus positiv sein, weshalb eine Entblätterung der Traubenzone heuer nicht ratsam erscheint.
Um trotzdem die Vorteile der Entblätterung zu nutzen (u.a. Krankheitsvorbeugung und eine Erleichterung des Ausdünnens) bietet sich bei Rebzeilen in Ost-West-Richtung eine Entblätterung nur der Nordseite (d.h. der Schattenseite) der Rebstöcke an. Sollte zur Endreife wider Erwarten feuchtes Wetter herrschen, kann es sinnvoll sein, zur Botrytisvorbeugung doch noch zu entblättern.
Das vielleicht wirkungsvollste, sicherlich aber auch riskanteste Instrument, um der Jahrgangstendenz entgegenzusteuern ist der Traubenertrag. Nachdem sehr viele (vor allem junge) Weingärten ohnehin ausgedünnt werden müssen, um ein qualitativ sinnvolles Ertragsniveau zu erreichen, bedeutet eine Veränderung der Erntemenge oft keinerlei zusätzlichen Aufwand.
Höhere Erträge bremsen naturgemäß die Reife, weil der Rebstock seine Energie auf mehr Trauben aufteilen muß. Diese Verzögerung könnte im Idealfall dazu führen, daß die Traubenreife unter etwas kühleren Herbstbedingungen erfolgt. Außerdem kann ein höherer Ertrag ein etwas höheres Säureniveau bewirken, was heuer nur von Vorteil sein kann. Und schließlich bedeuten maßvoll gesteigerte Erträge auch mehr Wein für den Winzer…
Diesen verlockenden Aussichten steht ein ziemlich hohes Risiko entgegen. Höhere Erträge bedeuten natürlich auch einen höheren Wasserbedarf der Reben. Und wenn es nicht ausreichend und zeitgerecht regnet (und das weiß man leider erst, wenn es zu spät ist), kann ein höherer Ertrag das Streßniveau der Reben (samt niedrigen Säurewerten, einem Mangel an Nährstoffen für die Hefe im Most und Bitterstoffen in der Schale) beträchtlich steigern.
Sollte es nicht so weit kommen, der Ertrag für die erwünscht Qualität aber doch zu hoch gewesen sein, kann man beim Rotwein versuchen, mittels Saftabzug von der Maische die Konzentration an Farbstoffen und Tanninen zu erhöhen. Dabei wird von der frisch geernteten Rotweinmaische vor der Gärung Saft abgezogen (der zu Rose verarbeitet wird), damit die im Gärbehälter verbleibende Menge einen proportional höheren Anteil an Schalen enthält.
Neben dem Grad der Ausdünnung des Behanges ist auch der Zeitpunkt dieser Maßnahme nicht unwesentlich. Eine frühe Traubenreduktion entlastet gestreßte Stöcke früher, kann aber bei Regenfällen zu einem stärkeren Größenwachstum der Trauben führen, was nicht nur den ertragsreduzierenden Effekt zunichte macht, sondern auch das Risiko für Fäulnis erhöht.
Und ein spätes Ausdünnen belastet den Weinstock lange mit der vollen Traubenanzahl, bremst aber dafür das Wachstum der verbleibenden Trauben.
Es bleibt spannend (Oder: Nachher ist man immer klüger)
Alle Strategien hängen natürlich am weiteren Wetterverlauf. Ein anhaltend kühler und feuchter Juli á la August 2006 könnte zu einem starken Größenwachstum aller Trauben führen (mit fatalen qualitativen Auswirkungen auf nicht ertragsreduzierte Anlagen) und eine fäulnisvorbeugende (Radikal-)Entblätterung zum Gebot der Stunde machen.
Und bei einem trockenen, aber kühler August wären alle Maßnahmen zur Hitzestreßvorbeugung Makulatur.
Hallo,
das sind die berühmten Planungen in die Zukunft hinein. Nachher ist man immer klüger. Fast wie die Milchmädchenrechnung, die in der Regel schief geht. Als Ziel habe ich immer, alle Blütenansätze als Trauben zu ernten. Jedoch bekommt man sie in der Regel nicht alle. Dieses Jahr ist bei uns eine größere Anlage komplett verrieselt und der Rote Brenner hat sich in diesem Weinberg auch schon bedient. Zudem macht der Dauerregen mir so langsam Sorgen. Mal schauen, was die Natur im Herbst übrig lässt.
Gruß von der Mosel
Harald